Leider müssen sich heute immer mehr Leute mit Computern herumquälen. Wann immer der Begriff Computer fällt, ist eigentlich schon klar, dass es sich um einen IBM-kompatiblen PC mit Windows handelt, denn andernfalls würde man Wert darauf legen, seinen Computer beim Namen zu nennen, also z.B. Amiga, Archimedes, Macintosh oder Atari. Es ist nach wie vor ein ungelöstes Rätsel dieser Welt, wie eine derart undurchdachte Hard- und Software-Architektur wie das Windows-PC-System, das die Nachteile aller anderen Computer-Systeme auf sich vereint, den Markt zu 90% oder mehr abdeckt. Es ist weiterhin schleierhaft, wie ein "Betriebssystem", das weder Festplatten flexibel partitionieren kann, noch die alten 8.3-langen Dateinamen überwunden hat, noch eine vernünftige Konsole zur Verfügung stellen kann ganz selbstverständlich als professionell gehandelt wird. Dieser und anderen Merkwürdigkeiten sind die folgenden Zeilen gewidmet:
Der Standard-PC ist mit Windows ausgerüstet, dem allseits bekannten Aufsatz auf MS-DOS. Allerdings benutzen die meisten Nutzer sogar nur den Windows-Aufsatz WinWord. Von dem aus werden Dokumente betrachtet, Programme gestartet, Bilder bearbeitet etc.
Ein richtiger Büro-PC-Benutzer ist man, wenn man eine Schwarz/weiß-A4-Textseite mit seinem 600dpi-Scanner auf 1200 dpi interpoliert in 36-Bit Farbtiefe einscannt, das entstandende 600 MB-File im JPEG-Format mit der satten Packrate 100:1 auf 6 MB komprimiert abspeichert, dieses dann in die Texterkennungssoftware einzuladen versucht, was aber nicht funktioniert, weil die nur Schwarz/weiß-BMP-Bilder akzeptiert, wenn man nach dem Starten einer Megabyte-schweren Bildbearbeitung, die eigentlich nur der Konvertiererei wegen installiert wurde, dieses Problem überwunden hat, und dann letztlich mit der Texterkennung eine Datei von vielleicht 6 KB erzeugt, welche auf der 26 GB-Partition allerdings 400 KB einnimmt. Es sei denn, man hat alle verfügbaren Laufwerksnamen von A-Z für 1 GB-Partitionen aufgeopfert, dann belegt die Datei lediglich 16 KB. Jetzt muss man nur noch überall herumerzählen, dass man mit Einsatz seiner überlegenen Computertechnik eine Grafik nahezu verlustfrei mit einem Faktor 100000:1 komprimiert hat.
Ein richtiger PC-Musiker ist man, wenn man eine verrauschte Gesangsaufnahme von einer CD über den Analogausgang mit 24 Bit und 96 kHz in stereo auf Festplatte digitalisiert, diese dann mit MPEG I/Layer 3 um den Faktor 10:1 ohne hörbare Verluste komprimiert, sich diese verzückt mit einem MPEG-Player mit Skins anhört und dann überall herumprahlt, dass man an seinem PC Spracherkennung und -ausgabe besitzt. Mindestens genauso clever ist man, wenn man sich von Internet-Seiten von Computermusikern nur die MP3-Dateien statt der MIDI- oder Trackerdateien herunterlädt, und sich dann über einen zu langsamen Server beschwert.
Ein richtiger PC-Anwender ist man, wenn man fest daran glaubt, dass Windows das erste Betriebssystem mit grafischer Bedienoberfläche war, dass Microsoft das TCP/IP-Protokoll entwickelt hat, dass es mit Windows 95 erstmals auf Computern möglich war, mehrere Programme parallel laufen zu lassen (präemptives Multitasking). Außerdem nennt man Windows ein 3D-Betriebssystem, weil die Bedienelemente seit Windows 95 erhaben dargestellt werden, und seit Windows 2000 (wenn gleich es auch nicht der Nachfolger von Windows 95 ist) sogar der Mauszeiger einen Schatten besitzt! Genau so selbstverständlich sagt man einfach "kompatibel", wenn man IBM-kompatibel bei der Hardware-Architektur oder Microsoft-kompatibel bei der Software meint, denn natürlich ist Kompatibilität eine verrückbare Konstante im Universum und niemals als Relation zwischen zwei Dingen aufzufassen!
Ein richtiger PC-Verkäufer ist der, der bei der Frage nach einem Computer sofort aufzählen kann, wie hoch Festplattenkapazität, Speicher, Prozessortakt und Software-Versionsnummern in seinen angebotenen PCs sind. Wofür man die einsetzen kann, ist völlig nebensächlich. Auf Fragen nach alternativen Computersystemen oder wenigstens alternativen Betriebssystemen oder allerwenigstens alternativen Büro-Programmpaketen zuckt er mit der Schulter und sagt das wäre nicht kompatibel und auch viel komplizierter, und es benutzt ja keiner, und weiterentwickelt wird es wahrscheinlich sowieso nicht, und ob der Kunde nicht lieber doch die originalen Microsoft-Produkte haben möchte, weil die doch so prima aufeinander abgestimmt sind.
Ein richtiger PC-Experte (inkl. Verkäufer) ist der, der die Redewendungen "das geht nicht", "das gibt's doch überhaupt nicht", "davon habe ich nie gehört", "sind sie sicher?", "davon wüsste ich", "mit der neuen Version passiert das nicht" und "legen sie sich mal einen aktuellen Computer zu" zum Grundkonzept seiner Hilfestellungen erhoben hat. Dass zum Beispiel die senkrechte Einbauweise einem 3.5''-Diskettenlaufwerk schadet, glaubt einem ein Verkäufer selbst dann noch nicht, wenn man drei Laufwerke jeweils im Abstand von einem halben Jahr in seinem Desktopgehäuse verschlissen hat (erkennbar an Schleifspuren auf der Magnetscheibe der Disketten) und das letzte Laufwerk bei waagerechtem Einbau noch Jahre später problemlos funktioniert. Da in der PC-Industrie Probleme grundsätzlich nicht gelöst, sondern nur durch neue ersetzt werden, ist auch die Lösung für diesen Fall verblüffend: Erstens erklärt man Desktop-Gehäuse zu Auslaufmodellen und wirbt für die Vorteile eines Tower-Umbaus, nein besser gleich Neukauf. Zweitens erklärt man Disketten für altmodisch (mit denen, bzw. mit dem Arbeiten mit mehr als einer Diskette an einem Rechner stellt sich Windows sehr schwierig an, und beim Booten darf man die auf gar keinen Fall im Rechner lassen!) und propagiert den Siegeszug der Festplatten, ZIP-Laufwerke und CD-Brenner.