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documentclass[a4paper]article par usepackagea4wide usepackagetimes par usepackage[ngerman]babel usepackage[isolatin]inputenc usepackagemulticol usepackageamsmath,amssymb usepackagewasysym par newedcommandRmathbbR newedcommandZmathbbZ newedcommandequivalentLeftrightarrow newedcommandabs[1]left|#1right| par newedcommandquantexpr[2] beginmultline* #1
#2 endmultline* par begindocument par titleQuantorenmechanik authorHenning Thielemann maketitle par abstract Dieser Artikel befasst sich mit der weit verbreiteten Gewohnheit, Allquantoren hinter die quantifizierten Aussagen zu schreiben. Diese Schreibweise ist allerdings inkonsistent und mitunter auch missverständlich. par beginmulticols2 par sectionProblem par Um zu demonstrieren, worum es geht, nehmen wir einmal die allseits bekannte Definition für die Stetigkeit einer reellen Funktion über ihrem gesamten Definitionsbereich her und lassen diese Formel einfach auf uns wirken: quantexpr forall varepsilon > 0 : exists delta > 0 : forall y in R : absx-y < delta implies absf(x)-f(y) < varepsilon qquadforall x in R par So könnte dieser Ausdruck an der Tafel in einer beliebigen AnalysisI-Vorlesung gestanden haben. par Huh, da fängt aber unser hochverehrter textscGeorg Quantor im Grabe an zu rotieren. Deshalb Halt, liebe Kinder zu Hause an den Bildschirmen, macht das nicht nach! Bitte schreibt das nicht ab und behauptet, Ihr hättet es von mir! Denn was da steht, ist Murks. par textitWas hat er denn nur? par Überlegt genau, was da wirklich steht! Steht da quantexpr forall x in R : forall varepsilon > 0 : exists delta > 0 : forall y in R : absx-y < delta implies absf(x)-f(y) < varepsilon was der normalen Stetigkeit entspricht, oder soll es quantexpr forall varepsilon > 0 : exists delta > 0 : forall x in R : forall y in R : absx-y < delta implies absf(x)-f(y) < varepsilon bedeuten, was der gleichmäßigen Stetigkeit entspricht? par glqqJagrqq, sagt der versierte Quantoren-Anwender, glqqworauf sich die Quantoren beziehen, das ersieht man doch aus dem Kontext.grqq Diese gerne hervorgebrachte Widerrede haben wir mit diesem Fall so eben elegant ausgehebelt. Hm, was ist eigentlich dagegen einzuwenden, wenn man der uneindeutigen Variante die eindeutige vorzieht, ohne dabei mehr schreiben zu müssen? par Ich habe sogar schon gesehen, dass $ delta(varepsilon,overstrike{x}{backslash{}})$ geschrieben wird, um zu verdeutlichen, dass bei der gleichmäßigen Stetigkeit das $ delta$ nicht vom $ x$ abhängt. - Schauderhaft, nicht wahr? par Jedoch sollte man die Diskussion gar nicht anhand der Eindeutigkeit führen, denn natürlich gibt es häufig Fälle in denen auch falsch gesetzte Quantoren irgendwie glqqeindeutiggrqq interpretiert werden können. par Ein Blick auf die Ursprünge der Quantoren soll helfen, sie besser zu verstehen: par sectionWoher kommen die Quantoren? par Na das ist doch ganz klar: Quantoren sind symbolische Abkürzungen für die Redewendungen glqqfür allegrqq und glqqes gibt mindestens eingrqq. Das weiß doch jeder Erstsemestler. Leider. Nur weil es hinreichend viele Professoren so sehen, ist es aber noch nicht richtig. par Wie ist es denn nun richtig? par Fangen wir ganz von vorne an. Im Folgenden soll die Zahl $ n$ immer eine ganze Zahl bezeichnen. Nehmen wir als Beispiel die Aussage beginquote $ n$ ist eine gerade Zahl. endquote oder kurz beginquote $ 2\vert n$ endquote Behaupten kann man es einfach einmal. Hm, für $ n=2$ und $ n=6$ zum Beispiel stimmt die Aussage sogar. par beginquote $ n = 2 lor 6 implies 2\vert n$ endquote par beginquote textttType mismatch in line 1:
texttt$ lor$ requires boolean as operands endquote par Ich wollte Euch doch nur mal testen. Obwohl sich beginquote Wenn $ n$ gleich $ 2$ oder $ 6$ ist,
dann ist $ n$ eine gerade Zahl. endquote ganz vernünftig anhört, ist die 1:1-Übersetzung in Symbole völlig daneben. Richtig ist selbstverständlich: beginquote $ (n = 2 implies 2\vert n) land (n = 6 implies 2\vert n)$ endquote par Aber es gibt noch viel mehr gerade Zahlen. begineqnarray* &&(n = 0 implies 2|n) land
&&(n = -2 implies 2|n) land (n = 2 implies 2|n)land
&&(n = -4 implies 2|n) land (n = 4 implies 2|n) dots endeqnarray* Hm, glqqdotsgrqq ist aber nicht besonders exakt. par Ob man vielleicht das Und-Symbol wie ein Summenzeichen verwenden kann? par

$\displaystyle bigwedge_{k in Z} (n = 2k implies 2\vert n)$

par Aber kann man das so hinschreiben? Ja, man kann. Man trifft diese Notation zwar nur selten an, aber sie ist richtig. Diesen Ausdruck kann man jetzt auch lesen als beginquote Für alle $ k in Z$ gilt: $ n = 2k implies 2\vert n$. endquote par Die gebündelte Schreibweise hat gegenüber glqqdotsgrqq zudem den Vorteil, dass man auch über überabzählbare Mengen etwas aussagen kann. par Nun kann man statt $ bigwedge$ auch ein $ forall$ schreiben, die Laufvariable statt darunter daneben setzen und den Implikationspfeil zum Doppelpunkt machen, und man erhält die gleiche Aussage, nur anders aufgeschrieben. Wie Ihr seht, hat die der menschlichen Sprache nähere Symbolik mit $ forall$ die Oberhand gewonnen, und diese hat dann wohl den heutigen Missverständnissen den Weg geebnet. Bei $ bigwedge$ käme vermutlich keiner auf die Idee, es hinter den quantifizierten Ausdruck zu schreiben, genauso wie es sich keiner wagt,

$\displaystyle i sum_{i=0}^{n}$

zu schreiben, wenn er die ganzen Zahlen von 0 bis $ n$ addieren will. Wenn man schon unbedingt etwas hinter einen zu quantifizierenden Ausdruck schreiben will, dann bitte Verbales wie glqqfür alle $ x$grqq oder glqqfür ein $ x$grqq. par Analog zu $ bigwedge$ kann man auch die Aussage beginquote Es gibt ungerade Zahlen. endquote in Symbole fassen.

$\displaystyle begin{array}[c]{c@{}c@{{}lor{}}c@{{}lor{}}c}
(2{not\vert\,}0) {}l...
...1) & (2{not\vert\,}1)\\
&(2{not\vert\,}-2) & (2{not\vert\,}2) &dots
end{array}$

par kurz par

$\displaystyle bigvee_{n in Z} (2{not\vert\,}n)\,.$

par Wenn man sich als Eselsbrücke merkt, dass $ bigvee$ ein Element, für das die Aussage zutrifft, aufspießt, während $ bigwedge$ an der Unterseite viel Platz für alle Elemente bietet, auf die die Aussage zutrifft, ist die Verwendung dieser beiden Symbole mindestens genauso intuitiv wie $ forall$ und $ exists$. par sectionFolgerungen par Mit diesem Hintergrundwissen ausgestattet wundert es einen nicht mehr, dass das Negieren einer quantifizierten Aussage etwas mit dem textscde Morganschen Gesetz zu tun hat. Zur Erinnerung: beginalign* intertextOriginal: neg (a lor b) &equivalent neg a land neg b
neg (a land b) &equivalent neg a lor neg b
intertextVerallgemeinert: neg bigvee_x A(x) &equivalent bigwedge_x neg A(x)
neg bigwedge_x A(x) &equivalent bigvee_x neg A(x) endalign* Während man an einer korrekt aufgedröselten Negation der verbalen Formulierung der Stetigkeit (und an der Variante mit bunt durcheinander gewürfelten Quantoren erst recht) ganz schön zu knabbern hat, kann man das Gleiche bei korrekter Notation problemlos völlig mechanisch abwickeln. Danach ist eine reelle Funktion genau dann nicht überall stetig, wenn: quantexpr exists x in R : exists varepsilon > 0 : forall delta > 0 : exists y in R : absx-y < delta land absf(x)-f(y) ge varepsilon par sectionZusammenfassung par Wir haben gesehen, dass Quantoren eine exakte Interpretation in der Logik haben. Sie sind Rechensymbole und unterliegen daher einer festen Syntax. Man kann nun eine Diskussion vom Zaun brechen, welche Syntax sinnvoll ist und welche nicht. Aus Konsistenzgründen (siehe Summenzeichen) ist die Schreibweise mit vorangestellten Quantoren vorzuziehen. par sectionAusblick par Gerade in einer Zeit, in der Computerprogramme zum automatischen Lösen und Beweisen mathematischer Problemstellungen den Markt erobern, ist eine korrekte Notation absolut notwendig. Macht man sich keine Gedanken über die Sachen, die man aufschreibt, oder jene, die man der Einfachheit halber weglässt, kann einem auch das beste Computeralgebra-System nicht weiterhelfen. Diese Systeme sind überhaupt erst durch eine konsequente Formalisierung der Mathematik möglich geworden und sollten Rechtfertigung genug sein für das oft misstrauisch beäugte Bemühen der Mathematiker, ihre Wissenschaft zu formalisieren. par Alle Studenten, die sich bis jetzt nicht getraut haben, Ihre Professoren darauf hinzuweisen, dürfen nun diesen Artikel schwarz auf weiß ihren Vorlesenden unter die Nasen reiben, hehe. Oder um es einmal so zu formulieren: par begineqnarray* M &:& textMenge aller Studenten
A(x) &:& x textbislang nicht mutig genug
B(x) &:& x texthat diesen Artikel gelesen
C(x) &:& x textdarf Professor diesen Artikel
& & textunter die Nase reiben
endeqnarray*

$\displaystyle forall xin M: A(x) land B(x) implies C(x)
$

par endmulticols enddocument


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Henning Thielemann 2004-06-25