Eine Berufsunfähigkeitsversicherung soll den Fall absichern, dass man in seinem erlernten Beruf nicht mehr arbeiten kann, aber dennoch mit einer anderen (wahrscheinlich weniger qualifizierten und daher schlechter bezahlten) Tätigkeit etwas verdienen kann. Eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung sichert hingegen den Fall ab, dass man gar keiner Tätigkeit zum Lebensunterhalt mehr nachgehen kann. Bis zum 2000-12-31 enthielt die gesetzliche Rentenversicherung die Erwerbsunfähigkeitsrente und die Berufsunfähigkeitsrente. Beide wurden durch die Erwerbsminderungsrente (Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit) ersetzt. Geblieben sind private Berufsunfähigkeitsversicherungen, die zwar die weggefallene gesetzliche Rente nicht ersetzen können, aber seit der Rentenreform - so mein Eindruck - besonders stark als Ersatz beworben werden.
Ich trat in den Bund der Versicherten ein, um mehr über die Berufsunfähigkeitsversicherung zu erfahren. Der Verein bietet Mitgliedern einmalig die Berechnung der Versorgungslücke im Falle der Berufsunfähigkeit an. Früher hat sich der Verein vehement gegen die Abschaffung der Berufsunfähigkeitsrente eingesetzt. Heute liest man in der Mitgliederzeitschrift BdV-Info davon nichts mehr. Stattdessen bekommt man regelmäßig zwei Arten von Artikeln zur Berufsunfähigkeitsversicherung, mit ungefähr folgenden Inhalten zu lesen:
Ich habe den Eindruck, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung hauptsächlich Leuten angeboten wird, denen sie nicht viel nützt, weil sie zum Beispiel gar keinen Beruf erlernt haben, oder weil sie einen Bürojob verrichten, und eigentlich nur tot berufsunfähig sein können, oder weil ihnen im Versicherungsfall die Leistungen vorenthalten werden. (Sarkastische Bemerkung am Rande: Ich wäre sehr interessiert an einer Versicherung gegen die Schäden durch Leute, die für ihren Beruf unfähig sind, ihn aber trotzdem ausüben.)
An dieser Stelle müsste ein kritischer Verbraucherverein innehalten, und sich fragen, wieso die staatliche Erwerbsunfähigkeitsrente überhaupt aufgegeben wurde. Was war daran so schlecht? Es war eine Zwangsversicherung, womit zum Beispiel jene Art Versicherungsbetrug ausgeschlossen war, bei der jemand eine Versicherung abschließt, obwohl er um seine baldige Berufsunfähigkeit weiß. Früher hat man automatisch durch Einzahlen in die gesetzliche Rentenversicherung Schutz gegen Erwerbsunfähigkeit erworben, heute soll man Versicherer anbetteln, dass sie einen in die Versicherung aufnehmen. Durch Abschaffung des Begriffs "Erwerbsunfähigkeit" wurde leider das Problem nicht abgeschafft. An den Kosten, um dieses Risiko abzufedern, lässt sich leider nichts drehen, schon gar nicht durch einen Wechsel der Versicherungsgesellschaft, hier vom Staat zum privaten Versicherer. Neben den Kosten zur Abdeckung des Risikos fallen bei privaten Versicherungen zusätzlich beträchtliche Summen für Werbung und Dividenden an. Wie bei jeder Privatisierung wurde und wird zu wenig gefragt, wem sie nützt: Den Privatisierern oder den Versicherten? Ich sehe es auch als Aufgabe des Vereins an, nachzufragen, wieso die staatliche Erwerbsunfähigkeitsrente abgeschafft wurde, wieso die Politik den privaten Berufsunfähigkeitsversicherern den Markt bereitet hat. Welcher Lobbyismus war da im Gange? Aus den Massenmedien erfährt man es nicht. Um so wichtiger wäre es, dass sich ein Verbraucherverein um Aufklärung bemüht, statt so zu tun, als wäre politisch nicht mehr als die private Berufsunfähigkeitsversicherung herauszuholen.
Der Verein hat mit seinen 50.000 Mitgliedern eine gute Basis, um herauszufinden, wieviel die verkauften Berufsunfähigkeitsversicherungen wirklich wert sind. Der BdV liefert selbst die Beispiele und auch in den Medien findet man ähnliche Fälle, in denen berufsunfähig gewordenen Leuten ihre Berufsunfähigkeitsrente vorenthalten wurde, weil der Versicherer irgendein Haar in der Suppe des Lebenslaufes des Versicherten vor dem Versicherungsabschluss gefunden hat. Wenn der Versicherte Glück hat, hat er nur seine Beiträge umsonst bezahlt, wenn er Pech hat, verbrennt er noch ein paar tausend Euro in einem erfolglosen Rechtsstreit. (Nebenbei bemerkt könnte der Versicherte in so einem Fall vor Gericht ja argumentieren, dass für den Versicherer ohnehin nie ein Risiko für die Auszahlung einer Rente bestand, und deswegen die Versicherung rückwirkend aufgelöst wird, und der Versicherte wenigstens die gezahlten Beträge zurückerhält. Mir ist nicht bekannt, ob jemand schon einmal so argumentiert hat und ob er damit Erfolg gehabt hat.) Die Führung des Bundes der Versicherten weiß wie gesagt selbst, dass eine abgeschlossene Berufsunfähigkeitsversicherung durchaus keine verlässliche Absicherung gegen Berufsunfähigkeit ist. Was zieht sie daraus aber für Konsequenzen? Sie weist weiter ständig auf die Notwendigkeit dieser Versicherung hin und empfiehlt Mitgliedern, auch bei finanziellen Engpässen und miserablen Vertragsbedingungen nicht aus solch einer Versicherung auszusteigen, weil es schwer wäre, wieder hinein zu kommen. Einmal mehr möchte ich auf die merkwürdige Kooperation des Vereins mit der Volksfürsorge bei deren Berufsunfähigkeitsversicherung hinweisen. Der Bund der Versicherten würde doch ein gutes Werk tun, wenn er eine Statistik führte und Interessenten sagen könnte: "Wir wissen von n Leuten, die bei Versicherer V gegen Berufsunfähigkeit versichert sind. k davon sind berufsunfähig geworden, meistens aus Grund G, aber nur i erhalten nun eine Rente. Davon haben sich j die Rente vor Gericht erstritten, während s vor Gericht nichts erreicht haben - abgesehen von den Kosten in Höhe von min bis max Euro. Die Dauer zwischen Eintreten der Berufsunfähigkeit und erster Rentenzahlung lag bei m Monaten." Danach kann man viel realistischer einschätzen, ob sich der Abschluss wirklich lohnt. Gegebenenfalls sollte man lieber das Geld selbst sparen, oder sich mit ein paar anderen Leuten zwecks gegenseitiger Versicherung zusammentun.
Eigentlich war der BdV angetreten,
um sich mit Versicherungen zu befassen.
Mindestens genauso groß wie bei Versicherungen
ist die Verunsicherung aber bei der Altersvorsorge,
die seit Jahren von den Medien ständig warm gehalten wird.
Dieses Thema überlappt sich auch deswegen mit dem der Versicherungen,
weil Kapitallebensversicherer versucht haben,
ihre Lebensversicherungen als Altersvorsorge zu verkaufen.
Der BdV hat sich in diesem Zusammenhang auf den Standpunkt gestellt,
dass Altersvorsorge von Lebensversicherungen getrennt werden sollte,
und dass die Altersvorsorge besser mit Geldanlagen zu bewerkstelligen sei.
Aus der Bevorzugung der kapitalgedeckten Altersvorsorge
macht der BdV keinen Hehl:
Die Geschäftsführerin Lilo Blunck
hat 2005 einen offenen Brief an die Justizministerin Brigitte Zypries geschrieben,
in dem sie dazu aufforderte,
die Rahmenbedingungen für die private Altersvorsorge zu verbessern.
Zitat aus
BdV-Info 2005/01:
"In der Alters- und der Krankenvorsorge ist es zu einem Paradigmenwechsel gekommen:
Der Lebensabend wird nicht mehr ausreichend durch den Generationenvertrag,
oder im Falle der Beamten durch den Staat, gesichert.
Deshalb sind Eigenverantwortung und -vorsorge für jeden Einzelnen,
aber auch für die Gesellschaft von richtungweisender Bedeutung.
Allerdings gaukelt die Versicherungswirtschaft
den Menschen mit geschickter Werbung vor,
kapitalbildende Lebensversicherungen seien die dritte Säule der Alterssicherung.
Doch Altersvorsorge ist kein Versicherungs- sondern ein Anlageproblem.
Verbraucher sind darauf angewiesen,
die beste und vor allem passende Versicherung abzuschließen.
Notwendig sind dazu auch für 'normale Menschen'
durchschaubare und vergleichbare Bedingungen."
Über soviel Mitwirkung am Aufbau der privaten Rentenversicherung dürften sicher einige Banker und Anlageberater hoch erfreut sein. Das Misstrauen der Versicherten gegenüber privaten Versicherern wird ausgenutzt, um sie in die Arme der Anlageberater zu treiben. Typische Privatvorsorgepropaganda, wie man sie heute täglich in den von PR-Agenturen gesteuerten Massenmedien (siehe beispielsweise Artikel "Journalismus am PR-Tropf" in der Bild der Wissenschaft 2006/12) erleben und nachlesen kann. Dafür braucht man keinem Verbraucherverein beizutreten.
Zwar hält Frau Blunck die Demografiedebatte für überzogen, hält sich sonst aber an die SPD-Linie und meint, dass man den Bürgern die "Wahrheit" über die gesetzliche Rente sagen müsse. Die SPD- und Anlageberaterwahrheit besagt bekanntlich, dass die gesetzliche Rente für den Lebensunterhalt im Alter nicht ausreichen wird, und daran, dass es so kommt, arbeiten sie auch intensiv. Siehe unten.
Weiteres Beispiel aus
BdV-Info 2004/01:
"Staatlich geförderte Altersvorsorge muss einfacher werden
Der BdV hat gemeinsam mit dem wissenschaftlichen Beirat
beim BdV Vorschläge erarbeitet,
damit eine staatlich geförderte Altersvorsorge
attraktiver wird und besser angenommen würde.
Anlass dessen ist das vom Bundestag beschlossene Alterseinkünftegesetz,
welches nicht nur die Streichung des ungerechtfertigten Steuerprivilegs
für die Kapitalversicherung regelt (siehe Seite 7 dieser INFO),
sondern auch eine neue Form der staatlich geförderten Altersvorsorge,
die Rürup-Rente."
Beim Thema staatliche Förderung böte sich für einen kritischen Verein beispielsweise die Anmerkung an, dass die staatliche Förderung genausogut zur Stärkung der gesetzlichen Rente benutzt werden könnte.
Auch auf der Internetpräsentation des BdV finden sich nur die üblichen Ratschläge zur privaten Rente, aber nicht die leiseste Kritik:
Wie man sieht, hat der BdV also schon einiges für die Anlageberater getan, und Anlageberater haben auch ungehindert Zutritt zum Verein. Zum Vergleich: Damit der Verein nicht von Versicherungsgesellschaften unterwandert werden kann, werden Mitglieder bei Vereinsbeitritt nach ihrem Beruf gefragt und Versicherungsvermittler abgelehnt. Ob und wie die Angaben überprüft werden, weiß ich nicht. Da ein Versicherungsvertreter auch etwas verkaufen will, reicht vermutlich ein Blick in die Gelben Seiten.
Mit der Satzungsänderung hat der Verein seine vorherige (ausschließliche) Unterstützung der kapitalgedeckten Altersvorsorge nun zum Grundsatz des Vereins gemacht. Bedenken gab es keine, es gehe schließlich nur um die "Weitergabe allgemeiner Informationen zu Anlagekonzepten zur Altersvorsorge". Möglicherweise waren sich die Formulierenden dieser Passage ihrer Sache so sicher, dass sie meinen betreffenden Antrag nicht für voll genommen und unter belanglosen Meinungsäußerungen verbucht haben. Nun hatte ich in meinem Schreiben an die Versammlungsorganisatoren dargelegt, warum ich diese Satzungsänderung dennoch für gefährlich halte und hatte meine Befürchtungen mit Quellen untermauert. Die Organisatoren hatten sich damit offensichtlich nicht befasst, die Anwesenden bei der Mitgliederversammlung konnten sich aufgrund der Kürze der Zeit nicht eingehend damit befassen und nicht-anwesende Mitglieder haben gar nichts erfahren.
Ich selbst hatte im Vorfeld eine Diskussion im schwer auffindbaren BdV-Forum begonnen. Erwartungsgemäß war es mir nicht möglich, gegen die Desinformationen anzuschreiben, die täglich in den Massenmedien zum Thema Altersvorsorge und Demografie verbreitet werden.
Ich möchte einen Fall herausgreifen, der eindrucksvoll zeigt, wie sich unsere Leitmedien für Werbung einspannen lassen, wie perfide die Werbung heute ist und warum deshalb eine "Weitergabe allgemeiner Informationen zu Anlagekonzepten zur Altersvorsorge" nichts mehr mit Verbraucherschutz zu tun hat.
Ich besitze keinen Fernseher (Hallo liebe GEZ!) und sah eher zufällig am 2006-02-13 auf einem kleinen wissenschaftlichen Treffen zusammen mit Kollegen einen Tagesschaubeitrag über Altersvorsorge. Aufhänger war eine Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) der Deutschen Bank, darüber dass Deutsche zu wenig privat vorsorgen würden und zu wenig über private Altersvorsorge wüssten. Vor laufender Kamera wurde außerdem DIA-Sprecher Katzenstein zum Thema befragt.
Da ich, wie gesagt, nur stichprobenartig fernsehe, kann ich mir bunt ausmalen, wie es sonst so auf unseren Mattscheiben zugeht. Sehr aufschlussreich war die anschließende Diskussion mit meinen Kollegen, denn noch wichtiger, als das was im Fernsehen gesagt wird, ist das, was beim Zuschauer ankommt. Meine Kollegen meinten, dass sie einen Bezug zur Deutschen Bank nicht bemerkt hatten, und dass die Werbung, falls es eine sein sollte, damit seinen Zweck verfehlt hätte. Ich hielt dagegen, dass es gerade Zweck dieses Beitrages war, das große allgemeine Thema gerade nicht mit den speziellen Interessen der Deutschen Bank zu verbinden.
Was ist das Kalkül hinter solchen Beiträgen? Die Banken wollen ihre Kunden irgendwie erreichen. Ratgebersendungen sind sicher beliebt, werden aber nicht zur besten Sendezeit ausgestrahlt und dauern recht lange. Außerordentlich beliebt ist dagegen eine Nachrichtensendung wie die Tagesschau. Ein viertelstündiger Abriss über wichtige (für wen auch immer) Ereignisse des Tages aus aller Welt passt gerade noch in die engen Zeitfenster zwischen Beruf und Freizeit vieler Zuschauer. Mit einem langen Ratgeberbeitrag kommt man nicht in die Tagesschau, aber man kann die Tagesschau zum "Agenda-Setting" benutzen. Man kann auf diese Weise beeinflussen, worüber geredet wird, und wie darüber geredet wird. Man kann Begriffe besetzen. Zum Beispiel kann man das Wort "Altersvorsorge" in den Köpfen der potenziellen Kunden fest mit "Kapitalanlage" verbinden. Das ist, denke ich, schon sehr gut gelungen.
Wie bekommt man seinen Beitrag in die Tagesschau? Eine Nachrichtensendung arbeitet, wie Informatiker zu sagen pflegen, ereignisorientiert. Sie werden aktiv, sobald sich etwas ereignet. Nun ist Altersvorsorge aber ein Dauerthema, angelegt auf mehrere Jahrzehnte, also ganz gewiss kein Ereignis. Die Idee ist es, ein Ereignis zu inszenieren: Eine Preisverleihung ("Reformer des Jahres" von der INSM), einen Wettbewerb ("Planspiel Börse" der Sparkassen), oder wie in diesem Falle, eine "Studie". Diese von der Deutschen Bank finanzierte Studie belegt, was die Deutsche Bank schon immer mal sagen wollte: Die Leute interessieren sich zu wenig für unsere Sparpakete. Dabei ist es gar nicht so wichtig, dass die Kunden nach dem DIA-Beitrag alle zur Deutschen Bank laufen. Es reicht völlig, dass die Leute einmal mehr in sich gehen und sagen, "Ich wollte ja schon immer privat vorsorgen, wusste aber nie, wo sich die Investition lohnt. Jetzt muss ich es endlich angehen, sonst bin ich Rentner, bevor ich was zurücklegen konnte." Schon wenn es nur jeden zehnten der wachgerüttelten zur Deutschen Bank zieht, hat die Werbung gewirkt. Sie hat sogar nachhaltiger gewirkt, weil sie unabhängig wirkte. Man darf auch nicht vergessen, dass andere Anlageanbieter, etwa AWD und MLP, ebenso kapitalgedeckte Altersvorsorge bewerben und somit der Deutschen Bank Kunden bescheren. Da hackt eine Krähe der anderen kein Auge aus, denn sie haben einen gemeinsamen Konkurrenten: Die gesetzliche Rentenversicherung.
Viel hängt vom richtigen Zeitpunkt der Meldung ab. Gibt es zu viele Ereignisse auf einmal, fallen Großereignisse durchaus mal durch das Gitter. Wer weiß zum Beispiel, dass Dolly bereits das dritte Klonschaf war, und es vorher die beiden Klone Megan and Morag gab? Dolly ist heute Inbegriff für das Klonen von ausgewachsenen Tieren, aber für Megan und Morag war die Zeit anscheinend noch nicht reif.
Was der richtige Zeitpunkt für eine Meldung ist, lässt sich nicht so einfach vorhersagen, und ein guter Zeitpunkt kann durch dumme Zufälle ungünstig werden. Sicher ist nur: Wer es öfter probiert, dessen Chancen steigen. Man könnte also das Sommerloch für Meldungen nutzen. Aber da sind nicht nur Sendeplätze frei, sondern auch Zuschauerplätze. Also war für die DIA-Meldung die Zeit der Winterolympia in Turin (2006-02-10 bis 2006-02-26) gar nicht dumm gewählt. Da hängen viele Leute vor dem Fernseher, so auch meine Kollegen. So ganz zufällig war es vermutlich nicht, dass sie diesen Beitrag gesehen haben.
Auf meine Ausführungen zur Korruption bei der Bewerbung der privaten Altersvorsorge allerorten wurde mir bereits entgegengehalten, dass man es Anlageberatern schwer übelnehmen könne, dass sie aus der Schwäche der gesetzlichen Rentenversicherung ihren Vorteil ziehen wollen. Wer so argumentiert, übersieht, dass die gesetzliche Rentenversicherung nicht wegen der Demografie schwächelt und auch nicht weil das Umlageverfahren ungeeignet sei, sondern weil Kapitalanlageanbieter seit langem an verschiedenen Stellen an der Zerstörung der Rentenversicherung arbeiten. Zur Demografie: Die geburtenstarken Jahrgänge sind noch lange nicht in Rente und die Verhältnisse waren nach Kriegsende weit schärfer. Zum Umlageverfahren: Es modelliert perfekt die hinter dem Geld stehenden Warenströme, denn die Waren für die Rentner müssen immer die Erwerbstätigen herstellen, egal wo die Rentner ihr Geld herhaben. Das Umlageverfahren hat zweimal im 20. Jahrhundert die Kapitalvorsorge ablösen müssen, weil diese zusammengebrochen war: Einmal zur Hyperinflation in den zwanziger Jahren und einmal nach dem zweiten Weltkrieg. Zur Zerstörung der Rentenversicherung: Die Rentenversicherung wird dadurch belastet, dass die Politik Stück für Stück abgabenpflichtige Beschäftigungen durch Billigarbeitsverhältnisse ersetzt, die Unterbezahlung wiederum die Binnennachfrage zurückdrängt und so mehr (Langzeit-)Arbeitslose schafft, die dann nicht mehr in die Rentenversicherung einzahlen, dass die Politik Rentenbeiträge einfriert, Privatvorsorge (Rürup- und Riesterrente!) subventioniert, und vieles mehr, zuletzt die nachgelagerte Besteuerung. Das macht sie nicht im Interesse der zukünftigen Rentner, sondern weil ihre Berater, etwa das Deutsche Institut für Altersvorsorge das so fordern. Die Anlageberater erzeugen also die Krise selbst, zu deren Retter sie sich heute aufspielen.
Ich weiß, dass die von den Massenmedien aufgebauten Vorurteile gegenüber der gesetzlichen Rente nicht mit einer Handbewegung vom Tisch zu wischen sind. Ich stelle deshalb hier ein paar Verweise auf kritische Artikel zur Rentendebatte zusammen.
Zurück zum BdV: Die neue Satzung erweitert den Aufgabenbereich des BdV um "Weitergabe allgemeiner Informationen zu Anlagekonzepten zur Altersvorsorge", der Verein steht aber nach wie vor allen Anlageberatern offen. Nach dieser Satzungsänderung könnte folgendes passieren: Anlageberater in großer Zahl entdecken den Verein für sich und nutzen die Negativstimmung gegenüber Versicherern im Verein und in der Bevölkerung, um ihre Vorstellung von Altersvorsorge im Verein zu etablieren. Sie können dann, wie schon passiert (Blunck schreibt an Zypries), kapitalgedeckte Altersvorsorge als Interesse von normalen Bürgern gegenüber Politikern und Presse verkaufen. Das schlimme ist, dass viele Vereinsmitglieder (siehe auch Beiträge im BdV-Forum) daran nichts schlechtes entdecken, weil sie kapitalgedeckte Altersvorsorge aus Fernsehen (siehe Tagesschau) und Zeitung (BILD-Zeitung und Allianz und ihre Schrumpfrente) bereits als Allheilmittel gewohnt sind. Dass auch diese Kanäle bereits von Anlageberatern besetzt sind, wissen sie nicht oder wollen es nicht wahrhaben.
Feindliche Übernahmen sind keine Theorie oder Seltenheit. Herr von Holt hat auf der Sitzung auf solche Fälle hingewiesen und sah die Einrichtung eines Aufsichtsrates als geeignetes Mittel an, um solchen Übernahmen entgegenzuwirken. Dumm nur, dass durch die neue Satzung eine Übernahme des Vereins durch Anlageberater völlig satzungskonform ist, und vom Aufsichtsrat daher auch nicht bemängelt werden kann. Wenn man zudem bedenkt, dass der erste Aufsichtsrat des Vereins aus SPD- und CDU-Mitgliedern besteht, also Parteien repräsentiert, die Kapitalanlage als Altersvorsorge unterstützen, wird schnell klar, dass dieser Aufsichtsrat keinerlei Bedenken anmelden wird.
Ich hatte auf dieser Sitzung viele Anlageberater erwartet, allerdings konnte ich natürlich auch nicht erwarten, dass sie sich freiwillig zu erkennen geben. Ein auffälliges Beispiel war Herr Hartmut Herzog, der durch verschiedene Äußerungen den Verdacht erweckte, dass er Nutznießer der angepeilten Altersvorsorge-Politik ist. Er kommentierte die schleppende Diskussion um die Tagesordnung damit, dass er Bankangestellter aus Frankfurt sei, 400 Euro für seinen Flug bezahlt hätte, und eine zügige Diskussion möchte, insbesondere weil es noch so interessante Themen wie die Altersvorsorge zu besprechen gäbe.
Da Herr Trawöger als erster Vorsitzender zurückgetreten war, wurde in der ordentlichen Mitgliederversammlung kurzerhand ein neuer Vorsitzender gewählt. Rechtens ist das nicht, denn die Wahl eines neuen Vorsitzenden stand nicht auf der Tagesordnung, und daher konnten die Mitglieder dies nicht in ihre Entscheidung, zur Versammlung zu kommen, einbeziehen. Während Herr Rudnik noch sehr überrascht über Trawögers Rücktritt tat, war ein Ersatz anscheinend schon vorgesehen und entsprechend schnell zur Hand: Fritz Lange, Geschäftsführer und Aktienberater beim Itzehoer Aktienclub. Ein Anlageberater an der Spitze eines Vereins zur Beratung zur privaten Altersvorsorge. - Damit ist die weitere Entwicklung des Vereines nicht schwer vorherzusagen.
Wahrscheinlich hat ein großer Teil des Itzehoer Aktienclubs die Versammlung bevölkert und in seinem Interesse mitbestimmt. Er hat schon in der Versammlung 2004 geholfen, den Putsch von Braun und Klaebe zu verhindern. Als Gegenleistung für ihre Installation als Geschäftsführerin scheint sich Lilo Blunck nun mit einem Vorstandsposten und einem um die kapitalgedeckte Altersvorsorge erweiterten Vereinszweck beim Aktienclub-Geschäftsführer bedanken zu wollen. Wer an dieser Darstellung zweifelt, kann ja Frau Blunck um die Teilnehmerliste der Versammlung 2006 bitten, das haben andere BdV-Mitglieder auch schon erfolglos versucht.
Wie gesagt, für eine Unterstützung der kapitalgedeckten Vorsorge braucht man dem Verein nicht beizutreten, da reicht eine Anlage bei der Deutschen Bank völlig aus. Ich wünsche mir, dass der Verein über die Hintergründe der Kampagne gegen die gesetzliche Rentenversicherung aufklärt, über personelle Verstrickungen (Bert Rürup - MLP, Bernd Raffelhüschen - INSM, Meinhard Miegel - DIA alias Deutsche Bank, Bernd Klöckner - selbständiger Anlageberater und Autor (beispielsweise "Die gierige Generation") und andere) und auch über die Risiken der Kapitalanlage, etwa über schlingernde Finanzunternehmen (Blüm bei Beckmann). Dies ist aber strenggenommen mit der neuen Satzung nicht möglich, denn es fällt nicht so recht unter die "Weitergabe allgemeiner Informationen zu Anlagekonzepten zur Altersvorsorge".
Ein letztes Wort zur gelebten Demokratie im Verein. Bitte überlegen Sie, wie lange Sie zum Lesen des letzten Abschnittes gebraucht haben. Es war nur ein Ausschnitt dessen, was es zur privaten Altersvorsorge zu sagen gibt. Auf der Mitgliederversammlung hatte ich höchstens 3 Minuten Zeit dieses Anliegen vorzubringen, danach wurde sofort abgestimmt. Selbst wenn uns eine halbe Stunde Zeit geblieben wäre, um das Thema zu diskutieren - es ist schlicht nicht möglich, sämtliche ineinander verzahnte Desinformationen zum Thema Altersvorsorge aus unseren Massenmedien der vergangenen Jahre in einer Sitzung zu behandeln, zumal ich mich unglaubwürdig mache, wenn ich zu viele Dinge auf einmal in Frage stelle. Unter diesen Vorzeichen darf ich 4 Zustimmungen zu meinem Antrag von schätzungsweise 30 anwesenden unbefangenen(!) Mitgliedern vermutlich als Erfolg verbuchen. (Die 30 Mitglieder schätze ich aus den Neinstimmen zu den Wunschkandidaten des Vorstandes für den Aufsichtsrat.)
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Hier noch ein paar schwachsinnige E-Mail-Adressen zur Fütterung von SPAM-Adresssammlern. Die Adressen sind mit Hilfe von Markov-Ketten zufällig aus realen Namen zusammengewürfelt und existieren mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht. |